Es war einmal in einem weit entfernten Königreich, wo in einem kleinen Dorf ein junges Paar lebte. Sie sehnten sich so sehr nach einem Kind, dass sie jeden Abend beteten und hofften, eines Tages Eltern zu werden. Schließlich erfüllte sich ihr Wunsch, und die Frau wurde schwanger. Das Glück schien perfekt, doch mit der Schwangerschaft kam auch ein ungewöhnliches Verlangen.

Die Frau hatte ein starkes Verlangen nach Rapunzel, einer Pflanze, die in den Gärten einer mächtigen Hexe namens Gothel wuchs. Diese Gärten waren von einer hohen Mauer umgeben, und niemand wagte es, hineinzutreten. Doch das Verlangen der Frau war so groß, dass ihr Mann beschloss, die Rapunzeln zu stehlen. In der Dunkelheit der Nacht schlich er sich in den Garten und pflückte einige der Pflanzen. Die Frau war überglücklich und das Verlangen schien gestillt.

Doch schon bald kam das Verlangen zurück, stärker als zuvor. Der Mann wusste, dass er wieder in den Garten eindringen musste. Dieses Mal wurde er jedoch von der Hexe erwischt. Wütend über den Diebstahl, stellte sie ihn zur Rede. Er erklärte seine Notlage und bat um Gnade. Gothel, obwohl zornig, machte ihm ein Angebot: Er dürfe die Pflanzen nehmen, so viel er wolle, aber das erste Kind, das seine Frau gebäre, müsse er ihr überlassen. Verzweifelt und ohne andere Wahl stimmte er zu.

Als das Kind geboren wurde, kam Gothel und nahm das Mädchen mit sich. Sie nannte es Rapunzel, nach der Pflanze, die das Schicksal des Kindes besiegelt hatte. Gothel zog Rapunzel in einem hohen Turm auf, der keine Türen und nur ein kleines Fenster hatte. Rapunzel wuchs zu einer wunderschönen jungen Frau heran, mit langen, goldenen Haaren, die so kräftig waren, dass Gothel sie als Seil benutzte, um den Turm hinaufzusteigen.

Jeden Tag rief Gothel: „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!“ Und Rapunzel ließ ihr langes Haar aus dem Fenster hängen, damit die Hexe hinaufklettern konnte. So lebte Rapunzel viele Jahre in Einsamkeit, ohne die Welt jenseits ihres Turms zu kennen.

Eines Tages ritt ein junger Prinz durch den Wald und hörte Rapunzel singen. Ihre Stimme war so schön, dass er ihr folgen musste. Er fand den Turm, sah aber keinen Weg hinein. Versteckt beobachtete er, wie Gothel den Turm bestieg, indem sie an Rapunzels Haaren hochkletterte. Der Prinz wartete, bis Gothel wieder verschwunden war, und rief dann nach Rapunzel. Verwundert, aber neugierig, ließ sie ihr Haar herab, und der Prinz kletterte hinauf.

Rapunzel hatte noch nie einen anderen Menschen außer Gothel gesehen. Der Prinz erzählte ihr von der Welt draußen, von den Wäldern, den Städten und den Menschen. Sie verliebten sich ineinander und der Prinz versprach, Rapunzel zu retten. Doch als Gothel von der Verbindung erfuhr, wurde sie wütend. Sie schnitt Rapunzels Haare ab und verbannte sie in eine ferne Wüste.

Als der Prinz das nächste Mal den Turm bestieg, fand er nur die abgeschnittenen Haare und Gothel, die ihm höhnisch entgegentrat. In seinem Zorn und seiner Verzweiflung sprang der Prinz vom Turm, überlebte den Fall, aber verlor sein Augenlicht. Blind und voller Kummer wanderte er umher, bis er eines Tages Rapunzels Gesang hörte. Er folgte der Stimme und fand sie in der Wüste. Rapunzel erkannte ihn sofort und als ihre Tränen seine Augen benetzten, heilte ihr magischer Kummer sein Augenlicht.

Sie kehrten in das Königreich des Prinzen zurück, wo sie heirateten und glücklich lebten. Der Turm blieb verlassen, ein Symbol für die vergangene Dunkelheit und das überstandene Leid.